Elektrochemisches Rauschen
Der Begriff Elektrochemisches Rauschen wird bei Korrosionsuntersuchungen verwendet um Keimbildungsprozesse und deren Ausheilung zu beschreiben. Diese Prozesse gehen einher mit kleinen elektrisch messbaren Impulsen (Ereignissen). Von einem Rauschen im Sinne der Elektrotechnik (Frequenzgemisch) oder auch in der Akustik kann man hier nicht direkt sprechen. Zwar werden die Untersuchungen in der Regel auch innerhalb eines Frequenzspektrums analysiert, die Analysemethoden sind aber zumeist statistischer Natur. So wird z.B. die Häufigkeit von Ereignissen und auch deren Intensität untersucht und analysiert. Analysemethoden sind z.B. Ereigniszählung, Standardabweichung oder Auswertung im Frequenzbereich.
Das Besondere bei der Messung des elektrochemischen Rauschens im Vergleich zu anderen Verfahren der elektrochemischen Korrosionsprüfung ist, dass der Informationsgewinn ohne äußere Erregung des Systems erfolgen kann (Potentialrauschen). Die hohe Sensibilität des Messverfahrens ermöglicht es z.B. an passiven Metalloberflächen, die Initiierungsprozesse lokaler Korrosionserscheinungen festzustellen. Ursache des elektrochemischen Rauschens an passiven Metallen sind dabei die Aktivierungs- und Repassivierungsprozesse der Passivschicht bzw. die dadurch hervorgerufenen Schwankungen der Ladung an der Phasengrenzfläche Metall-(Passivschicht) / Elektrolyt. Je nach Versuchsaufbau lassen sich diese Ladungsschwankungen als Strom- oder Potentialrauschen messen.
Grundvoraussetzung für die Analyse von Messdaten ist deren Erfassung. Für diese spezielle Methode werden auch spezielle Geräte mit sehr feiner Auflösung, mit entsprechenden Verstärkungsfaktoren und mit Frequenzfiltern benötigt. Wichtig ist vor allem auch die Abtrennung des DC-Anteils eines Messsignals. Dieser Anteil kann sehr viel größer als der "Rauschanteil" sein und somit die Messung und Auflösung des eigentlich gewünschten Signals stark beeinträchtigen. Da hier auch externe Störungen (elektromagnetische Felder) bzw. deren Abschirmung eine große Rolle spielen können, bieten wir auch einerseits Faradaykäfige und andererseits Messgeräte mit Batteriebetrieb an. Damit lassen sich die wesentlichen Störsignale abschirmen.
Potentiostaten:
Zur Durchführung dieser Messungen haben wir zur Zeit einen Potentiostaten im Programm. Den PGU 100-PCR als Universal-Laborgerät mit einem hohen Automatisierungsgrad.
PGU 100-PCR
Der PGU 100-PCR eignet sich als normaler Potentiostat / Galvanostat sowie für die Messung des elektrochemischen Rauschens (Potential- und Stromrauschen). Er arbeitet im Netz- und im Batteriebetrieb (ca. drei Stunden im Batteriebetrieb). Er ist mit umschaltbaren Verstärkern sowohl für das Potentialrauschen
(x 100 / 500 / 1000 / 2000 / 5000 / 10000) als auch für das Stromrauschen (10 / 20 / 50 / 100 / 200 / 500) ausgestattet. Außerdem kann der Strommessbereich auch per Software umgeschaltet werden, so dass sich hier eine größere Flexibilität ergibt. Ebenso sind die Filter in Ihrem Bereich umschaltbar. So wird die untere Grenzfrequenz fest auf 0.1Hz (0.01Hz) gesetzt. Die obere Grenzfrequenz kann in sechs Bereichen
(1 / 10 / 40 / 100 / 200 / 500Hz) geschaltet werden [siehe auch Abbildung Rauschfiltereinheit]. Das Gerät ist in seiner Modularität bereits eine Vorstufe zu dezentralen Systemen, deren Einsatz in Zukunft immer wahrscheinlicher wird.
PGU 100-PCR
Rauschfiltereinheit
Messmethoden:
Zur Messung des elektrochemischen Rauschen gibt es mehrere Methoden:
1. Die Messung des Potentialrauschens:
Bei dieser Messmethode werden zwei beliebige Elektroden oder eine Arbeitselektrode gegen eine Bezugselektrode in einen Elektrolyten getaucht und gegeneinander gemessen. Die Messung wird ohne Stromfluss durchgeführt, das bedeutet, es wird nur das Potential gemessen. Zwischen den beiden Elektroden stellt sich zunächst das freie Korrosionspotential ein. Für die Messung des Potentialrauschens ist es nun wichtig, dieses freie Korrosionspotential (Gleichanteil) durch einen Hochpaßfilter abzutrennen. Danach können die Rauschsignalanteile (in den meisten Fällen zwischen 0.1Hz bis 10Hz) verstärkt und gemessen werden. Sind keine Rauschsignale (Ereignisse) erkennbar, so ist davon auszugehen, dass sich das System in einem passiven Zustand befindet. Eine Zunahme von Ereignissen (Rauschen) kann durch Veränderung des Elektrolyten, d.h. durch eine Aktivierung der Oberfläche(n) erreicht werden. Entsprechend kann eine Passivierung ebenfalls durch entsprechende Inhibitoren erreicht werden.
2. Die Messung des Stromrauschens (außenstromlos):
Bei der außenstromlosen Messung werden zwei Elektroden an den (Null-Ohm-) Strommesser des Potentiostaten angeschlossen und darüber quasi kurzgeschlossen. Es können verschiedene Elektrodenpaarungen gewählt werden. So kann eine Elektrode aus dem zu untersuchenden Material bestehen, die andere aus Platin. Damit ist die Zuordnung der Rauschsignale eindeutig. Es können allgemein zwei Elektroden aus verschiedenen Materialien gewählt werden. Eine der Elektroden ist dann meist edler, es bildet sich ein galvanisches Element. Bei solchen Messungen ist oft der DC Anteil des Stromes (Kurzschlussstrom) ebenso ein Kriterium für die Beurteilung des Systems wie das elektrochemische Rauschen. Es können auch zwei Elektroden aus dem gleichen Material gewählt werden. In diesem Fall geht der DC Anteil gegen Null (in der Praxis wird er meist nie ganz Null) und die Messung wird vom Rauschsignal dominiert.
Bedingt durch den Potentialunterschied zwischen den beiden Elektroden und der Leitfähigkeit des Elektrolyten fließt ein Strom zwischen den Elektroden d.h. es findet ein Ladungsaustausch statt. Auch hier gilt es wieder, den Gleichanteil abzutrennen und die Rauschereignisse zu filtern und zu verstärken, wobei es sich hier eben um ein Strom-Rauschsignal handelt. Eine Aktivierung der Oberfläche findet, wie beim Potentialrauschen auch, durch Änderung des Elektrolyten statt.3. Die Messung von Potenzial- und Stromrauschen (außenstromlos):
Ergänzend zu der obigen Messung kann eine Bezugselektrode in den Elektrolyten eingetaucht werden und das Potentzialrauschen gemessen werden. Das statische Potenzial ist dabei ein Mischpotenzial der beiden Arbeitselektroden.
4. Die Messung des Stromrauschens unter potentiostatischer Kontrolle:
Wenn man das Stromrauschen unter potentiostatischer Kontrolle messen will, dann benötigt man auf jeden Fall eine Drei-Elektroden-Anordnung. Der Potentiostat wird zunächst auf Freies Korrosionspotential (OCP) geschaltet, so dass sich ein Potential zwischen den Elektroden einstellen kann. Dann wird das System auf I-Zelle geschaltet, so dass je nach eingestelltem Potential ein Strom zwischen den Elektrode fließen kann. Auch hier gilt es wieder, den Gleichanteil abzutrennen und nur die Rauschereignisse zu verstärken. Anders als bei den o.g. Methoden kann hier die Aktivität der Oberfläche (Rauschinitiierung) durch eine Änderung des Potentials herbeigeführt oder gestoppt werden. Es bedarf nicht unbedingt der Änderung des Elektrolyten.
Anzumerken sei noch, dass es natürlich auch andere Bedingungen als Potential oder Elektrolyt zum initiieren der Rauschereignisse geben kann wie z.B. die Temperatur. Es würde hier aber zu weit gehen, dies alles zu erläutern.
5. Die Messung des Potentialrauschens unter galvanostatischer Kontrolle:
Will man das Potentialrauschen unter galvanostatischer Kontrolle messen, dann benötigt man auf jeden Fall eine Drei-Elektroden-Anordnung. Der Potentiostat wird zunächst auf Freies Korrosionspotential (OCP) geschaltet, so dass sich ein Potential zwischen den Elektroden einstellen kann. Die Steuereinheiten für den Strom werden auf Null gestellt, damit beim Schließen des Stromkreies kein Strom fließt. Dann wird das System auf I-Zelle geschaltet. Auch hier gilt es wieder, den Gleichanteil abzutrennen und nur die Rauschereignisse zu verstärken. Äquivalent zu der Methode mit potentiostatischer Kontrolle wird hier durch die Steuerelemente dem System ein Strom aufgeprägt und das Rauschpotential beobachtet. Die Aktivierung der Oberfläche (Rauschinitiierung) wird durch eine Änderung des Stromes herbeigeführt. Es bedarf nicht unbedingt der Änderung des Elektrolyten. Interessant bei dieser Variante ist die hohe Sensitivität des Systems. Bereits geringste Änderungen lassen sich im Rauschpotential noch besser erkennen als im Strom bei der potentiostatischen Initierung.
Anzumerken sei noch, dass es natürlich auch andere Bedingungen als Potential oder Elektrolyt zum initiieren der Rauschereignisse geben kann wie z.B. die Temperatur. Es würde hier aber zu weit gehen, dies alles zu erläutern.
Weiterhin fällt hier ein Vorteil der manuellen Bedienbarkeit der Geräte auf. Die Möglichkeit eine Potential- oder Stromänderung manuell am Potentiometer einzustellen gibt dem Anwender die Chance, komplett interaktiv zu arbeiten. So können die Änderungen unmittelbar am Bildschirm beobachtet werden und im Falle einer Überreaktion kann auch schnell mal zurückgedreht werden. Gerade zum Kennenlermen eines Systems ist dies sehr hilfreich. Will man systematisch Probenserien vermessen, ist dann natürlich die automatische Variante die besser, da die Messabläufe immer gleich eingestellt werden können.
Software:
Unsere Software EcmWin stellt entsprechende Module zur Messung der verschiedenen Rauschereignisse zur Verfügung. Auf den einzelnen Registerseiten des Bediendialogs werden die entsprechenden Einstellungen vorgenommen:
Dialog zur Auswahl der Meßart
Zunächst erfolgt die Einstellung der Messart über die Registerkarte Art der Messung. Bei den letzten beiden Methoden kann eine aktive Polarisation durch den Potentiostaten erfolgen. Die Betriebsart wird mit der Auswahl automatisch eingestellt.
Dialog zur Auswahl der Parameter Rauschen
Auf der Registerseite Parameter Rauschen werden die Verstärkungsfaktoren für das Potential- und das Stromrauschen eingestellt. Diese Einstellungen müssen mit den Geräteeinstellungen übereinstimmen.
Über die obere Bedienzeile wird letztendlich die Messung gestartet.
Entsprechend den Voreinstellungen werden die Messwerte normiert und als ASCII-Daten abgespeichert. Die Abtastung kann, je nach Messhardware, mit bis zu 2000 Werten pro Sekunde erfolgen, so dass alle relevanten Rauschsignale erfasst werden können. Alle Auswertungen wie Ereigniszählung, Min- / Max-Bestimmung oder das Ermitteln der Anstiegszeit sind mit dem Auswerteprogramm vorzunehmen.
Das folgende Bild zeigt den Messdialog des Strom- und Potentialrauschens:
Dialog für Strom- und Potentialrauschen
In den vier verschiedenen Grafikfenstern werden das Potential-, das Stromrauschen, das aktuelle Potential und der Strom (Rohmesswerte) angezeigt.
Die nachfolgenden Diagramme zeigen typische Ergebnisse einer Rauschmessung:
Rauschmessung 1Das Rauschsignal in Abbildung Rauschmessung 1 lässt noch keine Aktivitäten erkennen.
Rauschmessung 2In Abbildung Rauschmessung 2 sind nach Zugabe von Chlorid typische Rauschtransienten zu erkennen, die eine beginnende Lochkeimbildung anzeigen.
Rauschmessung 3Die Abbildung Rauschmessung 3 zeigt im ersten Abschnitt das gleiche Rauschsignal wie in Abbildung Rauschmessung 2. Nach Zugabe eines Inhibitors geht das Rauschsignal praktisch auf Null und die Keimbildung kommt zum Stillstand.
Weiterentwicklung:
ZRA-FG
Zwischenzeitlich hat sich eine intensivere Zusammenarbeit mit der Fachhochschule Südwestfalen, inbesondere mit der Arbeitsgruppe von Herrn Prof. Dr. rer. nat. hablit. G. Schmitt ergeben. Das Ziel der Zusammenarbeit ist es, industrietaugliche Komponenten zur Rauschmessung zu entwicklen. Dabei sollen neben den bereits bestehenden Laborgeräten und Systemen auch dezentrale Einheiten entstehen, die mit lokaler Intelligenz und Netzwerkanbindung, möglichst nahe an die Messstelle herangebracht werden können. Durch entsprechende Vorverarbeitung der Messwerte sollen möglichst schnell die Korrosionsrelevanten Informationen verfügbar sein.
So ist mittlerweile ein 8-fach-Null-Ohm-Strommesser für den Laboreinsatz bzw. auch für den Feldeinsatz verfügbar.
ZRA-FGKleinere Bauformen sind ebenfalls verfügbar, so dass entsprechend den Projektanforderungen die Systeme passend zusammengestellt werden.
ZRA-FG (kleine Bauform)